In dieser Woche wollen wir mal von einer "alternativen Motorsportkarriere" berichten, die nicht weniger anspruchsvoll ist als die des aktiven Motorsportlers.
Kai Hantel, 36 Jahre alt, Berufssoldat, waschechter Kemmeje-Jong, wurde quasi in eine Motorsportdynastie hinein geboren. Sein Vater Berthold Hantel, zunächst über Jahre als Motorsportler im Rallyesport aktiv, zeichnete schließlich über Jahre und Jahrzehnte verantwortlich für die Rallye Kempenich, war 2× Vorsitzender des MSC Kempenich für zusammen fast 30 Jahre und hat bis vor wenigen Monaten im ständigen Organisationskomittee der Rallye Deutschland gearbeitet.
Mutter Marlene Hantel ist heute noch, nach fast 30 Jahren als Geschäftsführerin des MSC, eine Institution. Sein Onkel Reinhard "Roger" Grones zeichnete ebenfalls 30 Jahre verantwortlich als Fahrtleiter der Oldtimer Classic Veranstaltung und über lange Jahre im Vorstand des MSC Kempenich.
Bei solchen Genen kann man vermutlich nicht anders - der Weg im und mit dem Motorsport ist damit quasi angeboren und wohl immer präsent.
Kai mit seinem Vater bei der Rallye Alzey 2005
Kai ist nach seiner aktiven Motorsportzeit im Rallyesport heute in der Organisation zahlreicher namhafter Motorsportveranstaltungen engagiert. Sein Terminkalender in diesem Jahr war proppenvoll. So standen auf dem Programm Rallye Kempenich, Qualifikationsrennen zum 24h Rennen, 24h Rennen, World Rallyecross WM, DTM und Formel 1. Bei allen Veranstaltungen ist er Mitglied im Organisationskomittee als Bereichsleiter.
Aber angefangen hat ursprünglich alles 1991 mit 7 Jahren als Kart Kid des MSC Kempenich. Hier begann er bereits ein Jahr bevor er an Rennen teilnehmen durfte, mit dem Training beim MSC auf dem Parkplatz der Leyberghalle. Im Frühjahr 1992, noch mit 7 Jahren, startete er dann in der A-Klasse bei seinen ersten Rennen. Endlich 8 Jahre, durfte er in der P1 an den Start gehen und schaffte es auf Anhieb auf Platz 10. Dabei sollte es aber nicht bleiben. In den insgesamt 10 Jahren, in denen er dem Kart Slalom treu blieb, schaffte er es knapp 100 Mal aufs Podium und sogar über 30 Mal auf Platz 1.
Zudem startete er im Namen des ADAC Mittelrhein 2× bei der Süd-Westdeutschen Meisterschaft und schaffte es hier bei der ersten Einladung auf Platz 3.
Nach den vollen 10 Jahren endeten dann seine Aktivitäten als aktiver Kartfahrer. Jedoch kehrte er dem Kartsport noch nicht gleich den Rücken zu, da er für die nächsten 4 Jahre als Trainer der Kart Kids fungierte.
Mit 16 Jahren erweiterte er bereits seine motorsportlichen Aktivitäten auf das Auto, in dem er beim Autoslalom im Walkenbach-Cup des ADAC Mittelrhein an den Start ging. Beim Walkenbach-Cup werden die Fahrzeuge für die Neulinge beim Autoslalom für max. 2 Jahre gestellt.
In den beiden Saisons konnte er jeweils den 2.Platz in der Gesamtwertung erzielen und wurde in jedem der beiden Jahre auf die Süd-Westdeutschen Meisterschaft geladen.
Im zweiten Jahr durfte er zudem beim Einladungsturnier des DMSJ, dem Endlauf zur deutschen Meisterschaft, teilnehmen.
Ebenfalls mit 16 startete er seine Karriere im organisatorischen Bereich, indem er zum ersten Mal als stellvertretender WP-Leiter bei einer Rallye eingesetzt wurde.
Mit 18 Jahren begann dann seine aktive Zeit als Rallyefahrer, wo er mit einem guten Dutzend Klassensiegen und über 30 Podiumsplatzierungen in seinen aktiven 4 Jahren, unter anderem mit seinem Bruder Jan als Beifahrer, aufwarten konnte. 2002 startete er zunächst in einem Peugeot 106 bevor auf einen Citroen Saxo umstieg. Beide Fahrzeuge wurden durch unser Clubmitglied Guido Michels vorbereitet und gewartet.
Kai mit seinem Bruder als Beifahrer 2004
Sein bestes Ergebnis erzielte er, als er zweiter im DMSB Pokal Südwest und in der Gesamtwertung im DMSB Pokal Zweitbester Junior wurde.
2002 mit 18 Jahren zur Wehrpflicht gezogen, verpflichtete er sich 2003 als Offizier bei der Bundeswehr, wodurch seine Zeit für den aktiven Motorsport immer knapper wurde. Besonders mit seiner Versetzung nach Rotenburg a.d.Fulda/Hessen.
Dadurch beendete er seine aktive Zeit als Rallyefahrer schließlich mit 22 Jahren und er wechselte nun ganz in den organisatorischen Bereich von Veranstaltungen.
Die Organisatoren können sich über solche Engagierten nur freuen, denn häufig fehlen genau diese Personen. Es ist nicht selten, dass heute Motorsportveranstaltungen nicht mehr stattfinden können, weil Helfer oder die sogenannten "Offiziellen", in welcher Funktion auch immer, fehlen.
Deshalb wollten wir von Kai wissen, wie es denn zu seinem Engagement kam und haben ein Interview mit ihm geführt:
Kai, wenn man Deinen obigen Terminkalender anschaut, dann hättest Du eine volle und lange Saison gehabt - aber wie überall ist auch im Motorsport in diesem Corona-Jahr nahezu alles heruntergefahren worden bzw. wurde abgesagt. Bei welchen Veranstaltungen warst Du 2020 eingesetzt?
Mein Jahr fängt immer mit der Rallye Kempenich an. Glücklicherweise konnte sie noch ohne Auflagen stattfinden. Ab dem Montag nach der Rallye gab es dann den Lockdown und keine Veranstaltung konnte mehr wie geplant stattfinden.
So musste das Qualifikationsrennen zum 24h Rennen leider ersatzlos gestrichen werden. Das 24h Rennen konnte dann mit viel Engagement aller Beteiligten verschoben werden und im September unter Ausschluss von Zuschauern stattfinden. Da die DTMam Nürburgring recht spät im Jahr ist, konnte sie nicht nur durchgeführt, sondern sogar zu einem erfolgreichen Doubleheader erweitert werden.
Leider war es uns nicht möglich, eine finanziell erträgliche und geeignete Lösung für die Rallye Deutschland zu finden, weswegen sie leider gestrichen werden musste.
Dafür kam unerwartet die Formel 1 kurzfristig dazu, da der Nürburgring als eine der wenigen Rennstrecken auf der Welt, eine solche Veranstaltung zu dieser Zeit ausrichten konnte.
Bis zuletzt waren wir zuversichtlich, mit der Verschiebung der WRX (Welt Rallye Cross Meisterschaft) in den Dezember eine Lösung gefunden zu haben, bis die Fallzahlen wieder anstiegen und uns die Durchführung untersagt wurde.
Somit waren es „leider“ nur fünf Veranstaltungen, welche durchgeführt werden konnten.
Wie sieht es im nächsten Jahr aus, weißt Du mit welcher Zeitachse man wieder relativ "normal" plant? Mit welchen Einsätzen planst Du?
Sichere Planungen sind aktuell leider völlig unmöglich. Das Einzige was man in dieser Situation machen kann ist, ein geeignetes Hygienekonzept für die jeweilige Veranstaltung zu erstellen. Zu gegebener Zeit muss dann in Verbindung mit der Genehmigungsbehörde geschaut werden, wie sich die Situation entwickelt hat und dann lagebezogen geeignete Entscheidungen getroffen werden.
Das ist dann jeweils abhängig von der Größe und der Art der Veranstaltung.
Ansonsten ist die Rallye Kempenich, das 24h Rennen inkl. dem Qualifikationsrennen und die WRX fest einkalkuliert. Wie sich die DTM und die Formel 1 entwickelt, muss erst abgewartet werden. Die Rallye Deutschland hat es leider nicht in den Terminkalender der FIA geschafft, was bedeutet, dass mindestens für das Jahr 2021 die Durchführung ausgesetzt wird.
Wenn Du anderen etwas über Deine diversen Einsätze bei Motorsportveranstaltungen erzählen solltest, was gefällt Dir besonders gut und macht es so attraktiv für Dich?
Nur wenn sich genug Leute finden, die bereit sind eine Veranstaltung zu organisieren, können aktive Fahrer ihren Sport genießen. Daher ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, dass man sich als aktiver Fahrer auch an der Organisation von anderen Veranstaltungen beteiligt oder diese zumindest unterstützt. Auch wenn das ein paar freie Wochenende im Jahr weniger bedeutet, profitiert man selbst doch am meisten davon.
Wenn man selbst nicht mehr die Zeit oder die Möglichkeit hat an Veranstaltungen teilzunehmen, kann man so dem Sport auch weiterhin verbunden bleiben und diesen unterstützen.
Mich selbst treibt die Herausforderung und Verantwortung eine Veranstaltung zu organisieren an. Ich liebe es zu planen und zu organisieren. Wenn man nach einer erfolgreichen Veranstaltung auf die Anstrengungen zurückblickt, dann ist das Erfolgserlebnis die unzähligen Stunden der Planung immer wert. Man arbeitet mit mehreren Gleichgesinnten auf ein gemeinsames Ziel hin. Dieses Erfolgserlebnis etwas geleistet zu haben, kann einem kein Youtube-Channel oder Influencer geben.
Nun aber zu Deinen Anfängen in der Organisation - wie bist Du denn überhaupt auf die Idee gekommen, dich in diese Richtung zu engagieren - war Dein Vater eine Art "Initialzünder" hierfür?
Ohne meine Eltern wäre ich nie mit diesem Virus infiziert worden. Sie haben mich von klein auf gefördert und haben sich unzählige Wochenenden mit meinem Bruder und mir um die Ohren geschlagen. Das machen nicht alle Eltern über einen so langen Zeitraum mit. Das habe ich als Trainer der Kart Kids leider selbst erleben dürfen. Da war es oft bequemer mit den Kindern am Renntag ins Schwimmbad zu fahren, als den Tag an der Strecke zu verbringen.
Dadurch das meine Eltern sehr aktiv im Verein geholfen haben, war ich bei jeder Veranstaltung auch als Helfer unterwegs. So habe ich gelernt, dass es sehr wichtig ist bei anderen Veranstaltungen zu helfen.
An den „freien“ Tagen war ich dann oft mit meinem Vater noch auf anderen Veranstaltungen unterwegs, da sich ohne die gegenseitige Hilfe der Vereine, auch keine Veranstaltungen organisieren lassen. Wo es ging habe ich hier meinen Vater begleitet.
So kam ich auch zu meinen ersten Einsätzen als stellvertretender WP-Leiter mit 16 Jahren. Von hier an habe ich mich dann immer stärker in der Organisation engagiert.
Mit 18 Jahren folgte dann der Einsatz im Rot-Fahrzeug zusammen mit meinem Vater bei der Rallye Deutschland, (Anmerkung: das „Rotfahrzeug“ der Streckensicherungsstaffel fährt vor dem Start der Rallye die Strecke der jeweiligen Wertungsprüfungen ab – damit ist die Strecke absolut gesperrt für jegliches Betreten – außer für das Befahren der Wettbewerbsfahrzeuge – also der „Rallyeautos“). Zudem unterstützte ich Willi Frank als WP-Leiter bei der Rallye Kempenich.
Mit Anfang 20 wurde ich dann WP-Leiter bei der Eifel-Rallye, einem damaligen Lauf zur DRM.
Zwischenzeitlich habe ich dann verschiedene Funktionen als Vorwagen bzw. ab 2009 in der Leitstelle bei der Rallye Deutschland übernommen.
Sobald es möglich war, machte ich mit 25 Jahren meine Lizenz zum Leiter der Streckensicherung (LS) und mit 26 Jahren den Rallyeleiter (RyL).
Sofort wurde ich bei der Rallye Kempenich als stellv. LS eingesetzt.
Mit 27 Jahren wurde ich dann stellvertretender LS und mit 28 Jahren sogar jüngster LS bei einer WM.
2014 hat sich mein Vater dazu entschieden, etwas kürzer zu treten und hat mir das Amt des RyL der Rallye Kempenich übergeben, was mich persönlich sehr stolz machte. Parallel hatten dann auch mehrere andere Veranstaltungen angefragt, ob ich sie als stellv. RyL unterstützen kann.
2018 kam dann der ADAC Nordrhein auf mich zu und fragte, ob ich mir vorstellen könnte, die Nachfolge von Wolfgang Siering als LS beim 24h Rennen anzutreten. Daraus hat sich dann in der Folge noch Einsätze als LS bei der DTM, Formel 1 und WRXergeben.
Kai's Arbeitsplatz bei der DTM am Nürburgring: Die Überwachung des Renngeschehens durch die Rennleitung
Anfang 2019 wurde ich dann vom ADAC gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, der zukünftige RyL des deutschen Laufs zur Rallye WM zu werden.
Wie viele bzw. welche Lehrgänge hast Du absolvieren müssen, um dahin zu kommen, wo Du heute bist?
Zu damals hat sich die Lizenzlandschaft heute leicht verändert, aber nur marginal.
So muss man erstmal zwischen „Rennen“ und „Rallye“ unterscheiden. Beide haben separate Lizenzen und Ausbildungen. Das ist auch notwendig, da sich die jeweiligen Reglements grundsätzlich unterscheiden.
So muss man um RyL zu werden, erst den Lehrgang LS B (WP-Leiter) und dann LS A (LS) machen. Erst danach kann man die Lizenz zum RyL erwerben. Mit sehr viel Engagement schafft man das in 3 Jahren. Realistisch ist aber eher ein Zeitraum von 5-6 Jahren.
Ein ähnliches Stufenmodul gibt es dann auch für Rennen. Somit habe ich insgesamt 4 Wochenendlehrgänge mit Prüfungen machen müssen.
Zudem ist es unerlässlich Praxiserfahrung zu sammeln. Hierüber erarbeitet man sich dann nach und nach einen Namen und wenn man Glück hat und alles passt, wird man für immer mehr Veranstaltungen gefragt, so dass man auswählen kann.
An wie vielen Wochenenden im Jahr bist Du für den Motorsport unterwegs?
Die meiste Zeit nimmt mit Abstand die Rallye Deutschland ein. Eine Rallye zu organisieren ist wesentlich aufwändiger als ein Rennen auf einer festen Infrastruktur wie dem Nürburgring. Für die Rallye gingen im Schnitt 4 Wochenenden und etwa 8 Urlaubstage im Jahr drauf, von den Stunden für Besprechungen nicht zu sprechen. So musste ich einmal im Monat abends zur regelmäßigen OrgaBesprechung ins Saarland reisen.
Wenn ich alle Veranstaltungen zusammenzähle, dann komme ich auf etwa 11 Wochenenden und 17 Urlaubstage, die ich aufbringe. Besprechungen nicht mitgerechnet.
Du bist in so vielen unterschiedlichen Motorsportarten unterwegs, gibt es eine Lieblingsmotorsportart? Schlägt Dein Herz nach wie vor für den Rallyesport?
Ich komme von der Rallye und werde hier auch immer beheimatet bleiben. Wobei die Rundstrecke mittlerweile tatsächlich an Veranstaltungen überwiegt und durchaus ihren eigenen Reiz hat.
Kai im Vorwagen der ADAC Rallye Deutschland (WRC) 2005
Wie sieht Deiner Ansicht nach die Zukunft des Motorsports aus? In welche Richtung gehen die mittel- bis langfristigen Planungen der Veranstalter bzw. Ausrichter; gibt es tendenziell mehr Rennserien mit alternativen Antrieben wie Formel-E oder bleibt es in den nächsten Jahren bei den bewährten Konzepten?
Aktuell erfolgt über alle Serien hinweg eine von der FIA gewollte und forcierte Ausrichtung auf den E-Sport. Das mag vielen nicht gefallen, da aus meiner Sicht auch das Gehör mitfährt. Allerdings kommt zukünftig kein Veranstalter mehr an dem Thema vorbei. Daher gilt es eher früher als später sich dem Thema zu öffnen. So haben fast alle namhaften Serien ihr Reglement angepasst, um parallel schon E-Klassen zu ermöglichen oder in den kommenden Jahren sogar verpflichtend auf E umzusteigen. Die Formel E und WRX E bzw. diverse andere Serien sind hier beispielhaft zu nennen.
Auch der e-Sport (virtuelle Rennen) wird sich immer mehr etablieren und seine Nische finden. Gerade die aktuelle Situation hat hier für eine noch bessere Akzeptanz gesorgt, weil manche Events auf die Gaming Plattform notgedrungen ausgewichen sind. So war auch ein virtuelles 24h Rennen geplant. Dem Trend darf man sich als Veranstalter und DMSB nicht verschließen.
Das Angebot an Rennserien und Wettbewerbe wächst passender Weise von Jahr zu Jahr an und wird immer attraktiver.
Was könntest Du den jungen Leuten sagen, um sie für ein Engagement in der Organisation zu motivieren?
Ohne den individuellen Einsatz im Ehrenamt kann es kein Breitensport geben, wodurch das Leben aus meiner Sicht recht langweilig wird.
Die Organisation von Veranstaltungen bietet jedem eine interessante und anspruchsvolle Abwechslung zum eventuell etwas eintönigen Arbeitsalltag. Man ist aktiv dabei etwas zu gestalten und eine Idee zum Leben zu erwecken. Zu sehen, wie sich über das Jahr hinweg vom Reißbrett eine Veranstaltung entwickelt, welche im Idealfall noch erfolgreich abläuft, gibt einem eine innere Zufriedenheit. Zudem lernt man so viele Gleichgesinnte kennen, wodurch sich Freundschaften und gesellige Abende ergeben.
Der MSC Kempenich dankt Kai für das Interview und wünscht ihm für seine Tätigkeit weiterhin alles Gute und viel Erfolg!
Autor/in: Kai Hantel; Birgit Nett
Stand: 06.12.2020, 18:00 Uhr
Fotos: Kai Hantel